Pflegereform 2021

Schwerpunkt

Pflegereform 2021

Das Gesetz der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde in 2. und 3. Lesung am 11.06.2021 vom Bundestag beschlossen und tritt weitgehend zum 01.01.2022 in Kraft. Die unten aufgeführten Veränderungen gelten, mit Ausnahmen, erst ab diesem Zeitpunkt.

Für Pflegeeinrichtungen relevante Änderungen des SGB XI im Überblick

  • § 7b Beratungsvorgaben werden ergänzt und präzisiert

    Bei Antragstellung ist den Antragstellern eine Kontaktperson und ein konkreter Beratungstermin durch die Pflegekasse zu benennen (§ 7b Abs. 1).

  • § 8 Veränderung und Erweiterung der Förderungsbedingungen für Pflegeeinrichtungen zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf

    Die bestehenden Vorgaben zur Förderung wurden präzisiert. Die Vorgaben zur Erstellung der Richtlinien wurde angepasst (§ 8 Abs. 7 SGB XI).

  • § 36 Erhöhung der Pflegesachleistung

    Die Pflegesachleistung wird wie folgt erhöht:

    • Pflegegrad 2 von 689 Euro auf 724 Euro
    • Pflegegrad 3 von 1.298 Euro auf 1.363 Euro
    • Pflegegrad 4 von 1.612 Euro auf 1.693 Euro
    • Pflegegrad 2 von 1.995 Euro auf 2.095 Euro

    (§ 36 SGB XI)

  • §§ 37, 40 Empfehlung von Pflegehilfsmittel durch Pflegefachkräfte

    Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach § 36 SGB V, nach den §§ 37  SGB V (Häusliche Krankenpflege) und 37cSGB V  (Intensivpflege) des Fünften Buches sowie der Beratungseinsätze nach § 37 Absatz 3 SGB XI konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben (§ 40 Abs. 6 SGB XI).


    Dazu bedarf es Richtlinien, die noch vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zum 31.12.2021 zu erlassen sind. In diesen Richtlinien werden auch die Eignung der Pflegefachkräfte und Verfahrensfragen festgelegt (§ 40 Abs.6).


    Die Bearbeitungsfrist für Anträge für Pflegehilfsmittel durch die Pflegekasse wird auf 3 Wochen festgelegt (§ 40 Abs. 7).



  • § 42 Leistung für die Kurzzeitpflege wird erhöht

    Der Leistungsbetrag für die Kurzzeitpflege wird von 1.612 Euro pro Kalenderjahr auf 1.774 Euro erhöht.  Falls Mittel der Verhinderungspflege nicht verbraucht sind, kann dieser Betrag auf 3.386 Euro erhöht werden (§ 42 Abs. 2 SGB XI)

  • § 43c Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen

    Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen erhalten einen „Leistungszuschlag“. Der Leistungszuschlag auf den jeweils zu zahlenden Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen beträgt für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei einem Leistungsbezug nach § 43 SGB XI von:

    • bis 12 Monate 5%
    • bei mehr als 12 Monaten 25%,
    • bei mehr als 24 Monate 45%
    • bei mehr als 36 Monate 70%

    Angefangene Monate werden als voll angerechnet. (§ 43c SGB XI)

  • § 45a Antragsstellung bei Umwandlung des Sachleistungsbeitrages entfällt

    Die Kostenerstattung bei der Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten von nach Landesrecht anerkannten Diensten erfolgt gegen Vorlage entsprechender Belege. Ein vorheriger Antrag auf Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrages ist nicht notwendig. Mehrauszahlungen werden verrechnet (§ 45a Abs. 4 SGB XI). Gilt ab 01. 07.21.

  • § 45c Förderungsbetrag für regionale Netzwerkbildung wird erhöht

    Der Förderbetrag von bislang 10 Mio. Euro wird auf 20 Mio. Euro erhöht (§ 45c Abs.1 SGB XI).

  • § 45c Fördervoraussetzungen für regionale Netzwerke werden geändert

    Je Kreis oder kreisfreier Stadt können zwei regionale Netzwerke, je Kreis oder kreisfreier Stadt ab 500. 000 Einwohnern bis zu vier regionalen Netzwerken gefördert werden. Der maximale Förderbetrag pro Netzwerk beträgt 25 000 Euro je Kalenderjahr. Die Pflegekassen erstellen im Internet eine Übersicht über die geförderten Netzwerke (§ 45c Abs. 9). 

    Die Empfehlungen zur Förderung werden bis zum 31.12.2021 aktualisiert. (§ 45c Abs. 1 SGB XI).

  • § 71 Fristverlängerung für Weiterbildungsmaßnahmen von verantwortlichen Pflegefachkräften

    Die Im § 71 Abs. 3 Satz 7 genannte Frist wird vom 01.06.2021 auf den 01.01.2023 verlängert.

  • § 72 Tarifbindung bzw. Tariforientierung wird für Pflegeeinrichtungen Pflicht 01.09.2021 / 31.08.22

    Die Tarifbindung bzw. die Orientierung der Höhe der Entlohnung an entsprechenden Tarifverträgen (§ 72 Abs. 3a) in fachlicher und regionaler Hinsicht ist ab 01.09.2021 Voraussetzung zum Abschluss eines Versorgungsvertrages.


    Die Anpassung bestehender Verträge muss bis zum 31.08.2022 erfolgen. (§ 72 Abs. 3b SGB XI).

  • § 72 Prüfgrundsätze für die Einhaltung der Vorgaben werden erstellt

    Der Spitzenverband Bund legt die Richtlinien, erstmals bis zum 30.09.2021, fest. Sie sind vom Bundesgesundheitsministerium zu genehmigen (§ 72 Abs. 3c SGB XI).

  • § 72 Mitteilungspflicht für Pflegeeinrichtungen zur Tarifanwendung bzw. Tariforientierung ab 2022

    Pflegeeinrichtungen sind zu entsprechenden Angaben gegenüber den Pflegekassen im Jahr 2022, bis zum 28.02.2022 verpflichtet. Der Mitteilung gilt, wenn die Pflegeeinrichtung nicht widerspricht als Antrag zur Anpassung des Versorgungsvertrages mit Wirkung zum 01.09.2022 (§ 72 Abs. 3d SGB XI).

  • § 72 Informationspflicht über die Anpassung von Tarifverträgen

    Bis zum 30.09. des Jahres sind den Pflegekassen Informationen zu Änderungen der Tarifverträge mitzuteilen (§ 72 Abs. 3e SGB XI).

  • § 72 Evaluation der Wirkungen der Tarifbindung bzw. der Tariforientierung

    Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen zur Tarifbindung bzw. Tariforientierung (§ 72 Abs. 3f SGB XI).



  • § 82c Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen

    Die Entlohnung aufgrund bestehender Tarifverträge kann, wie nach der bisherigen Regelung, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden (§ 82c Abs.1). Bei nichttarifgebundenen Einrichtungen kann die Entlohnung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit sie das tarifgebundene regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich (mehr als 10%) überschreitet (§ 82c Abs. 2 SGB XI).


    Der Spitzenverband Bund legt dazu bis zum 30.09.2021 Richtlinien fest (§ 82c Abs. 4 SGB XI).

  • § 84 Nachweispflicht für gezahlte Gehälter

    Der Träger der Einrichtung ist ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der Gehälter nach § 82c Absatz 1 oder der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen (§84 Abs. 7 SGB XI).

  • § 88a Wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege

    Auf der Bundesebene werden Rahmenempfehlungen für wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege von den Vereinbarungspartnern erstellt. Diese können Grundlage zur Anpassung der Rahmenverträge gem. § 75 SGB XI auf der Landesebene sein (§ 88a Abs. 1 SGB XI).

  • § 89 Berücksichtigung für die Vergütung bei längerer Wegezeiten

    Insbesondere im ländlichen Raum soll der Mehraufwand von längeren Wegezeiten in den Vergütungsvereinbarungen für ambulanten Pflegedienste berücksichtigt werden (§ 89 Abs. 3 SGB XI).

  • § 113 Vorgaben für Maßstäbe und Grundsätze der Qualität (MuG) erweitert

    Die Vorgabe im § 113 SGB XI Abs. 1 Satz 1 werden künftig für den Wirkungsbereich der MuG folgende Begrifflichkeiten genannt: Einrichtungen der ambulanten, teilstationären, vollstationären und Kurzzeitpflege und flexible Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Krisensituationen (§ 113 Abs. 1 SGB XI).


    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten die Betreuungsmaßnahmen erbringen müssen entsprechend den Richtlinien der Qualitätssicherung bei Betreuungsdiensten (§ 112a) qualifiziert sein (§ 113 Abs. 1 Satz 4  SGB XI).

  • §§ 113c Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen | Anpassung der Rahmenverträge gem. § 75

    Ab dem 01.07.2023 gelten folgende Personalanhaltswerte pro zu versorgenden Pflegebedürftigen als Höchstwerte (§ 113c Abs 1):


    1. für Hilfskraftpersonal ohne Ausbildung 


    a) 0,0872 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 1,

    b) 0,1202 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2,

    c) 0,1449 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 3,

    d) 0,1627 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 4,

    e) 0,1758 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5,


    2. für Hilfskraftpersonal mit landesrechtlich geregelter Helfer- oder Assistenzausbildung in der Pflege mit einer Ausbildungsdauer von mindestens einem Jahr


    a) 0,0564 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 1,

    b) 0,0675 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2,

    c) 0,1074 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 3,

    d) 0,1413 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 4,

    e) 0,1102 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5,


    3. für Fachkraftpersonal


    a) 0,0770 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 1,

    b) 0,1037 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 2,

    c) 0,1551 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 3,

    d) 0,2463 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 4,

    e) 0,3842 Vollzeitäquivalente je Pflegebedürftigen des Pflegegrades 5.


    Davon abweichend kann eine höhere Personalausstattung vereinbart werden, wenn

    1.  schon eine Vereinbarung besteht, die eine höhere Ausstattung enthält, oder
    2.  eine höhere personelle Ausstattung für Fachpersonal, in der geltenden Landesrahmenvertrag nach § 75, vereinbart ist, oder
    3. die Pflegeeinrichtung sachliche Gründe für die personelle Ausstattung darlegen kann (§ 113c Abs.2 SGB XI).

    Weitere Regelungen dazu sind in § 113c Abs. 3 SGB Xausgeführt.


    Auch in den Landesrahmenvereinbarungen nach § 75 SGB XI können abweichende Regelungen getroffen werden, insbesondere zu:

    • Personalmindestzahlen, die sich aus den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Vorgaben, der Pflegesituation bei Nacht sowie Besonderheiten in Bezug auf Einrichtungsgröße und Einrichtungskonzeption ergeben,
    • besondere Personalbedarfe wie Pflegedienstleitung, Qualitätsbeauftragte und Praxisanleitung und
    • die erforderlichen Qualifikationen des eingesetzten Personals

    Soweit bis zum 01.07.2023 keine gesonderten Vereinbarungen getroffen werden, sind die Regelungen gem. § 113c Abs. 4 SGB XI unmittelbar verbindlich (§ 113c Abs. 5 SGB XI).


    Zu den Landesrahmenvereinbarungen werden auf der Bundesebene bis zum 30.06.2022 Gemeinsame Empfehlungen getroffen (§ 113c Abs. 4 SGB XI).


    Ab dem 1. Juli 2023 können keine Anträge mehr für zusätzliche Pflegehilfs- und Fachkräfte gestellt werden. Bestehende Vereinbarungen werden bis spätestens zum 31.12.2025 in neue Vereinbarungen überführt. Die bestehenden Regelungen im SGB XI zur Berechnung und Vergütungen dieser Kräfte werden zum 01.01.2026 aufgehoben.


Für Pflegeeinrichtungen relevante Änderungen des SGB V im Überblick

  • § 37 Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung an den Kosten der Medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Einrichtungen

    Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise ( § 37 SGB V, Ergänzung des Absatz 2a Satz 1).

  • § 37 Eingeschränkte Verordnungsberechtigung für Pflegefachkräfte

    Pflegefachkräfte, die bestimmte, noch zu definierende Anforderung erfüllen, können künftig Verordnungen im Rahmen des vertragsärztlichen Verordnungsrahmen, eigenverantwortlich ausstellen (§ 37 SGB V neuer Absatz 8).

    Die Regelung wird nach drei Jahren evaluiert (§ 37 SGB V neue Absätze 9 und 10).


  • § 39c Übergangspflege im Krankenhaus

    Können im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem Elften Buch nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden, erbringt die Krankenkasse Leistungen der Übergangspflege in dem Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgt ist.


    Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung. (§ 39c SGB V).

  • §§ 63, 64 Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten

    Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen führen gemeinsam in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben nach § 63 zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 des Pflegeberufegesetzes durch. Es handelt sich dabei um selbstständige Ausübung von Heilkunde.

    In den Modellvorhaben sind auch Standards für die interprofessionelle Zusammenarbeit zu entwickeln.

    Die Vorhaben beginnen spätestens am 1. Januar 2023 und sind auf längstens 4 Jahre zu befristen (§ 64 Abs. 2 und 3).

  • § 132 Anerkennung von tarifgerechten Gehältern auch in der Hauswirtschaft

    Tarifgerechten Gehältern werden auch in der Hauswirtschaft als wirtschaftlich anerkannt (§ 132 Abs. 1)

  • § 132a Abschluss von Versorgungsverträge nur mit „zuverlässigen“ Leistungsanbietern

    …Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht… (§ 132 a Abs. 4).

  • § 132a Maßnahmebescheid bei Qualitätsmängel in der Häuslichen Krankenpflege

    Bei festgestellten Qualitätsmängel ergeht nach Anhörung an den Leistungserbringer ein Maßnahmebescheid der Krankenkasse(n) mit Fristsetzung zur Abstellung der Mängel (§ 132a Abs. 4).

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