Dieser Artikel basiert auf eine Fachinformation des Paritätischen Gesamtverbandes
Das Bundeskabinett hat heute den Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes-GVSG)
beschlossen. „Kernstück“ des Gesetzentwurfs bleibt demnach die Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen.
Über den weiteren Umsetzungsprozess werden wir berichten.
Gegenüber dem Referent*innenentwurf wurden u.a. die nachfolgenden Änderungen vorgenommen:
- Die Einführung von
Bonuszahlungen für die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Bonus) wurde aus dem Entwurf
gestrichen. Ausgaben im Rahmen solcher Bonuszahlungen hatte die BAGFW in ihrer
Stellungnahme als erfahrungsgemäß wenig effektiv kritisiert.
- Neben einer separaten Bedarfsplanung zur
psychotherapeutischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen soll ein neuer Ermächtigungstatbestand eingeführt werden, um den Zugang vulnerabler Patient*innengruppen zur ambulanten psychotherapeutischen und psychiatrischen Behandlung zu verbessern. Zudem wird eine korrespondierende Regelung für Medizinische Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen nach § 119c SGB V ergänzt (Kooperationsvereinbarungen mit anderen Leistungserbringern/ Einrichtungen). Im Bereich der Kurzzeittherapien soll es Vereinfachungen und Flexibilisierungen bei der Beantragung und beim Konsiliarbericht geben. Letzterer würde obsolet werden, sofern die psychotherapeutische Behandlung auf fachärztlicher Überweisung erfolgt.
- Auch bei der
Versorgungspauschale
wurde nachjustiert: Diese war bislang nur für Versicherte vorgesehen, bei denen „mindestens eine lang andauernde, lebensverändernde Erkrankung vorliegt“. Nun ist im Gesetzentwurf stattdessen von „chronischen Erkrankungen“ die Rede. Auch diese Anpassung entspricht dem durch die BAGFW eingebrachten Änderungsvorschlag, da bis zuletzt unklar blieb, wie eine solche „lebensverändernde“ Erkrankung definiert werden soll, ohne dabei Diskriminierungseffekte auf andere regelmäßig behandlungsbedürftige Patient*innengruppen in Kauf zu nehmen.
- Bei der
Vorhaltepauschale soll es zudem nicht mehr Voraussetzung sein, dass die begünstigten Praxen auch Samstagssprechstunden vorhalten. Gleichzeitig soll der Bewertungsausschuss die Vorhaltepauschalen so ausgestalten, dass sie „weder zu Mehrausgaben noch zu Minderausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung führen“. Zudem werden Kinder- und Jugendärzt*innen explizit von der Pauschalenregelung ausgenommen.
- Ersatzlos
gestrichen
wurde im Gesetzentwurf auch die zunächst vorgesehene Einführung eines
Mitentscheidungsrechts der Länder
in den Zulassungsausschüssen nach § 96 SGB V. Die BAGFW hatte in ihrer Stellungnahme das vorgesehene Mitberatungsrecht der Länder als sachgerecht bewertet, jedoch kritisch zu bedenken gegeben, dieses auf ein Mitentscheidungsrecht auszudehnen, um langwierigen und unverhältnismäßigen Verfahrensverzögerungen vorzubeugen.
- Zudem wurde die Verlängerung der gegenwärtig bis zum 30. Juni 2024 befristeten Regelung, wonach der
Beratungsbesuch in der eigenen Häuslichkeit jedes zweite Mal per Videokonferenz durchgeführt werden kann, ersatzlos
gestrichen.
- Bei den „weiteren Gesetzesfolgen“ findet sich mit Blick auf die
medizinische Versorgung in ländlichen Regionen ein neuer Passus: Laut Gesetzentwurf bedarf es hier „spezifischer Lösungsansätze“, um die Gesundheitsversorgung „nachhaltig sicherzustellen“. Es soll daher ein Wirkungsmonitoring etabliert und regelmäßig durchgeführt werden, „um darstellen zu können, ob dem vielschichtigen tatsächlichen Versorgungsbedarf in ländlichen Räumen in der komplexen Struktur des Gesundheitssystems angemessen Rechnung getragen wird“. Sei dies nicht der Fall, biete das Instrument die „Möglichkeit der gezielten Nachsteuerung“. Nähere Bestimmungen zur Ausgestaltung des Monitorings soll das Bundesministerium für Gesundheit festlegen und gemeinsam mit dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft vereinbaren.
„Kernstück“ des Gesetzentwurfs bleibt demnach die
Entbudgetierung hausärztlicher Leistungen. Ein Blick in die Versorgungspraxis zeigt jedoch, dass die Budgetgrenzen schon länger kein systemisches Problem mehr darstellen. Eine qualitative Verbesserung der hausärztlichen Versorgung, eine Bekämpfung der regional unterschiedlichen Unter-, Fehl- und Überversorgung oder eine Stärkung von Haus- und Pflegeheimbesuchen kann von diesem Instrumentarium daher unserer Einschätzung zufolge nicht ausgehen. Inwiefern der Gesetzentwurf im Weiteren parlamentarischen Verfahren an Substanz gewinnen wird, insbesondere mit Blick auf die tatsächliche Stärkung regionaler, niedrigschwelliger und interprofessioneller Versorgungsmodelle, bleibt abzuwarten.