Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde auch die Pflegereform der Bundesregierung in der 2. und 3. Lesung am Freitag mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Das Gesetz tritt in großen Teilen ab 01.01.2022 in Kraft. Die Vorgaben zur Tarifbindung ab 01.09.2022. Das Gesetzgebungsverfahren war begleitet von heftiger Kritik, sowohl aus der Opposition, als auch von vielen Interessensgruppen und Verbänden – auch vom Paritätischen.
Auf Basis der Beschlussvorlage (BT-Drucksache 19/30550) wurden u.a. Änderung in den Sozialgesetzbüchern V (Krankenversicherung) und XI (Pflegeversicherung) beschlossen.
§ 37 SGB V
Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. (Ergänzung des Absatz 2a Satz 1)
Pflegefachkräfte, die bestimmte, noch zu definierende Anforderung erfüllen, können künftig Verordnungen im Rahmen des vertragsärztlichen Verordnungsrahmen, eigenverantwortlich ausstellen (Neuer Absatz 8).
Die Regelung wird nach drei Jahren evaluiert (Neue Absätze 9 und 10).
§ 39c SGB V
Können im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem Elften Buch nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden, erbringt die Krankenkasse Leistungen der Übergangspflege in dem Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgt ist.
Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.
§ 64d SGB V
Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen führen gemeinsam in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben nach § 63 zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 des Pflegeberufegesetzes durch. Es handelt sich dabei bei um selbstständige Ausübung von Heilkunde.
In den Modellvorhaben sind auch Standards für die interprofessionelle Zusammenarbeit zu entwickeln.
Die Vorhaben beginnen spätestens am 1. Januar 2023 und sind auf längstens 4 Jahre zu befristen (§ 64 Abs. 2 und 3).
Anerkennung von tarifgerechten Gehältern auch in der Hauswirtschaft
Tarifgerechten Gehältern werden auch in der Hauswirtschaft als wirtschaftlich anerkannt (§ 132 Abs. 1).
§ 132a SGB V
In den Rahmenverträgen zur häuslichen Krankenpflege (HKP) sind die Einzelheiten in Zusammenhang mit den Verordnungen von Leistungen der HKäuslichen Krankenpflege (§ 37 Ab. 8) durch Pflegefachkräften zu regeln (§ 132a Abs. 1)
…Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht… (§ 132 a Abs. 4).
Bei festgestellten Qualitätsmängel ergeht nach Anhörung an den Leistungserbringer ein Maßnahmebescheid der Krankenkasse(n) mit Fristsetzung zur Abstellung der Mängel (§ 132a Abs. 4).
§ 7b SGB XI
Bei Antragstellung ist den Antragstellern eine Kontaktperson und ein konkreter Beratungstermin durch die Pflegekasse zu benennen
(§ 7b Abs. 1).
§ 8 SGB XI
Die Regelungen zur Finanzierung der zusätzlichen Stellen für Pflegefachkräfte wird aufgehoben (§ 8 Abs. 6)
Die bestehenden Vorgaben zur Förderung wurden präzisiert. Die Vorgaben zur Erstellung der Richtlinien wurde angepasst (§ 8 Abs. 7).
§ 36 SGB XI
Die Pflegesachleistung wird wie folgt erhöht:
§ 40 SGB XI
Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach § 36, nach den §§ 37 und 37c des Fünften Buches sowie der Beratungseinsätze nach § 37 Absatz 3 konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben.
Dazu bedarf es Richtlinien, die noch vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zum 31.12.2021 zu erlassen sind. In diesen Richtlinien werden auch die Eignung der Pflegefachkräfte und Verfahrensfragen festgelegt (§ 40 Abs.6).
Die Bearbeitungsfrist für Anträge für Pflegehilfsmittel durch die Pflegekasse wird auf 3 Wochen festgelegt (§ 40 Abs. 7).
§ 42 SGB XI
Der Leistungsbetrag für die Kurzzeitpflege wird von 1.612 Euro pro Kalenderjahr auf 1.774 Euro erhöht. Falls Mittel der Verhinderungspflege nicht verbraucht sind, kann dieser Betrag auf 3.386 Euro erhöht werden (§ 42 Abs. 2 SGB XI)
§ 43c SGB XI
Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen
Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen erhalten einen „Leistungszuschlag“. Der Leistungszuschlag auf den jeweils zu zahlenden Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen beträgt für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei einem Leistungsbezug nach § 43 SGB XI von:
Angefangene Monate werden als voll angerechnet.
§ 45a SGB XI
Antragsstellung bei Umwandlung des Sachleistungsbeitrages entfällt
Die Kostenerstattung bei der Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten von nach Landesrecht anerkannten Diensten erfolgt gegen Vorlage entsprechender Belege. Ein vorheriger Antrag auf Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrages ist nicht notwendig. Mehrauszahlungen werden verrechnet.
§ 45c SGB XI
Der Förderbetrag von bislang 10 Mio. Euro wird auf 20 Mio. Euro erhöht (§ 45c Abs.1).
Je Kreis oder kreisfreier Stadt können zwei regionale Netzwerke, je Kreis oder kreisfreier Stadt ab 500. 000 Einwohnern bis zu vier regionalen Netzwerken gefördert werden. Der maximale Förderbetrag pro Netzwerk beträgt 25 000 Euro je Kalenderjahr. Die Pflegekassen erstellen im Internet eine Übersicht über die geförderten Netzwerke. Die Empfehlungen zur Förderung werden bis zum 31.12.2021 aktualisiert (§ 45c Abs. 9).
Die Im § 71 Abs. 3 Satz 7 genannte Frist wird vom 01.06.2021 auf den 01.01.2023 verlängert.
§ 72 SGB XI
Die Tarifbindung bzw. die Orientierung der Höhe der Entlohnung an entsprechenden Tarifverträgen (§ 72 Abs. 3a) in fachlicher und regionaler Hinsicht ist künftig Voraussetzung zum Abschluss eines Versorgungsvertrages. Die Anpassung bestehender Verträge muss bis zum 31.08.2022 erfolgen. (§ 72 Abs. 3b).
Der Spitzenverband Bund legt die Richtlinien, erstmals bis zum 30.09.2021, fest. Sie sind vom Bundesgesundheitsministerium zu genehmigen (§ 72 Abs. 3c).
Pflegeeinrichtungen sind zu entsprechenden Angaben gegenüber den Pflegekassen im Jahr 2022, bis zum 28.02.2022 verpflichtet. Der Mitteilung gilt, wenn die Pflegeeinrichtung nicht widerspricht, als Antrag zur Anpassung des Versorgungsvertrages mit Wirkung zum 01.09.2022 (§ 72 Abs. 3d).
Bis zum 30.09. des Jahres sind den Pflegekassen Informationen zu Änderungen der Tarifverträge mitzuteilen (§ 72 Abs. 3e).
Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen zur Tarifbindung bzw. Tariforientierung (§ 72 Abs. 3f).
§ 82c SGB XI
Die Entlohnung aufgrund bestehender Tarifverträge kann, wie nach der bisherigen Regelung, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden (§ 82c Abs.1). Bei nichttarifgebundenen Einrichtungen kann die Entlohnung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit sie das tarifgebundene regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich (mehr als 10%) überschreitet (§ 82c Abs. 2).
Der Spitzenverband Bund legt dazu bis zum 30.09.2021 Richtlinien fest (§ 82c Abs. 4).
§ 84 SGB XI
Der Träger der Einrichtung ist ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der Gehälter nach § 82c Absatz 1 oder der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen (§84 Abs. 7).
§ 88a SGB XI
Auf der Bundesebene werden Rahmenempfehlungen für wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege von den Vereinbarungspartnern erstellt. Diese können Grundlage zur Anpassung der Rahmenverträge gem. § 75 SGB XI auf der Landesebene sein (§ 88a Abs. 1).
§ 89 SGB XI
Insbesondere im ländlichen Raum soll der Mehraufwand von längeren Wegezeiten in den Vergütungsvereinbarungen für ambulanten Pflegedienste berücksichtigt werden (§ 89 Abs. 3).
§ 113 SGB XI
Die Vorgabe im § 113 SGB XI Abs. 1 Satz 1 werden künftig für den Wirkungsbereich der MuG folgende Begrifflichkeiten genannt: ambulanten, teilstationären, vollstationären und Kurzzeitpflege und flexible Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Krisensituationen (§ 113 Abs. 1).
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten die Betreuungsmaßnahmen erbringen müssen entsprechend den Richtlinien der Qualitätssicherung bei Betreuungsdiensten (§ 112a) qualifiziert sein (§ 113 Abs. 1 Satz 4).
§ 113c SGB XI
Ab dem 01.07.2023 gelten folgende Personalanhaltswerte pro zu versorgenden Pflegebedürftigen als Höchstwerte (§ 113c Abs 1):
PG 1 | PG 2 | PG 3 | PG 4 | PG 5 | |
---|---|---|---|---|---|
Hilfskraft ohne Ausbidlung | 0,0872 | 0,1202 | 0,1449 | 0,1627 | 0,1758 |
Helferin mit mind. 1-jähriger Ausbildung | 0,0564 | 0,0675 | 0,1074 | 0,1413 | 0,1102 |
Fachpersonal | 0,0770 | 0,1037 | 0,1551 | 0,2463 | 0,3842 |
Davon abweichend kann eine höhere Personalausstattung vereinbart werden, wenn
1. schon eine Vereinbarung besteht, die eine höhere Ausstattung enthält, oder
2. eine höhere personelle Ausstattung für Fachpersonal, in der geltenden Landesrahmenvertrag nach § 75, vereinbart ist, oder
3. die Pflegeeinrichtung sachliche Gründe für die personelle Ausstattung darlegen kann (§ 113c Abs.2).
Weitere Regelungen dazu sind in § 113c Abs. 3 ausgeführt.
Weitere Vereinbarungen können in den Landesrahmenvereinbarungen nach § 75 SGB XI getroffen werden, insbesondere zu:
Soweit bis zum 01.07.2023 keine gesonderten Vereinbarungen getroffen werden, sind die Regelungen gem. § 113c Abs. 4 SGB XI unmittelbar verbindlich (§ 113c Abs. 5).
Zu den Landesrahmenvereinbarungen werden auf der Bundesebene Gemeinsame Empfehlungen getroffen (§ 113c Abs. 4).
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