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Bundestag beschließt Pflegereform 2021 - Wichtige Änderungen für Pflegeeinrichtungen im Überblick

Redaktion | Pflegefachinformation | Ambulant | Teilstationär | Kurzzeit | Stationär • 13. Juni 2021

Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GVWG) wurde auch die Pflegereform der Bundesregierung in der 2. und 3. Lesung am Freitag mit den Stimmen der Koalition beschlossen. Das Gesetz tritt in großen Teilen ab 01.01.2022 in Kraft. Die Vorgaben zur Tarifbindung ab 01.09.2022. Das Gesetzgebungsverfahren war begleitet von heftiger Kritik, sowohl aus der Opposition, als auch von vielen Interessensgruppen und Verbänden – auch vom Paritätischen.


Auf Basis der Beschlussvorlage (BT-Drucksache 19/30550) wurden u.a. Änderung in den Sozialgesetzbüchern V (Krankenversicherung) und XI (Pflegeversicherung) beschlossen.


Für Pflegeeinrichtungen relevante Änderungen des SGB V im Überblick:


§ 37 SGB V


Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung an den Kosten der Medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Einrichtungen


Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. (Ergänzung des Absatz 2a Satz 1)


Eingeschränkte Verordnungsberechtigung für Pflegefachkräfte


Pflegefachkräfte, die bestimmte, noch zu definierende Anforderung erfüllen, können künftig Verordnungen im Rahmen des vertragsärztlichen Verordnungsrahmen, eigenverantwortlich ausstellen (Neuer Absatz 8).


Die Regelung wird nach drei Jahren evaluiert (Neue Absätze 9 und 10).


§ 39c SGB V


Übergangspflege im Krankenhaus


Können im unmittelbaren Anschluss an eine Krankenhausbehandlung erforderliche Leistungen der häuslichen Krankenpflege, der Kurzzeitpflege, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder Pflegeleistungen nach dem Elften Buch nicht oder nur unter erheblichem Aufwand erbracht werden, erbringt die Krankenkasse Leistungen der Übergangspflege in dem Krankenhaus, in dem die Behandlung erfolgt ist.


Die Übergangspflege im Krankenhaus umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung. Ein Anspruch auf Übergangspflege im Krankenhaus besteht für längstens zehn Tage je Krankenhausbehandlung.


§ 64d SGB V


Verpflichtende Durchführung von Modellvorhaben zur Übertragung ärztlicher Tätigkeiten


Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen führen gemeinsam in jedem Bundesland mindestens ein Modellvorhaben nach § 63 zur Übertragung von ärztlichen Tätigkeiten auf Pflegefachkräfte mit einer Zusatzqualifikation nach § 14 des Pflegeberufegesetzes durch. Es handelt sich dabei bei um selbstständige Ausübung von Heilkunde.


In den Modellvorhaben sind auch Standards für die interprofessionelle Zusammenarbeit zu entwickeln.


Die Vorhaben beginnen spätestens am 1. Januar 2023 und sind auf längstens 4 Jahre zu befristen (§ 64 Abs. 2 und 3).


§ 132 SGB V


Anerkennung von tarifgerechten Gehältern auch in der Hauswirtschaft


Tarifgerechten Gehältern werden auch in der Hauswirtschaft als wirtschaftlich anerkannt (§ 132 Abs. 1).



§ 132a SGB V


Rahmenvertragliche Vorgaben zur Verordnung von Leistungen der HKP


In den Rahmenverträgen zur häuslichen Krankenpflege (HKP) sind die Einzelheiten in Zusammenhang mit den Verordnungen von Leistungen der HKäuslichen Krankenpflege (§ 37 Ab. 8) durch Pflegefachkräften zu regeln (§ 132a Abs. 1)


Abschluss von Versorgungsverträge nur mit „zuverlässigen“ Leistungsanbietern


…Die Krankenkassen haben darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Verträge dürfen nur mit zuverlässigen Leistungserbringern abgeschlossen werden, die die Gewähr für eine leistungsgerechte und wirtschaftliche Versorgung bieten. Die Bezahlung von Gehältern bis zur Höhe tarifvertraglich vereinbarter Vergütungen sowie entsprechender Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen kann dabei nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden; insoweit gilt § 71 nicht… (§ 132 a Abs. 4).


Maßnahmebescheid bei Qualitätsmängel in der HKP


Bei festgestellten Qualitätsmängel ergeht nach Anhörung an den Leistungserbringer ein Maßnahmebescheid der Krankenkasse(n) mit Fristsetzung zur Abstellung der Mängel (§ 132a Abs. 4).

 

Für Pflegeeinrichtungen relevante Änderungen des SGB XI im Überblick:


§ 7b SGB XI


Beratungsvorgaben ergänzt und präzisiert


Bei Antragstellung ist den Antragstellern eine Kontaktperson und ein konkreter Beratungstermin durch die Pflegekasse zu benennen

(§ 7b Abs. 1).


§ 8 SGB XI


Regelungen zur Finanzierung von zusätzlichen Pflegefachkräften wird aufgehoben


Die Regelungen zur Finanzierung der zusätzlichen Stellen für Pflegefachkräfte wird aufgehoben (§ 8 Abs. 6)


Veränderung und Erweiterung der Förderungsbedingungen für Pflegeeinrichtungen zur Vereinbarkeit von Pflege, Familie und Beruf


Die bestehenden Vorgaben zur Förderung wurden präzisiert. Die Vorgaben zur Erstellung der Richtlinien wurde angepasst (§ 8 Abs. 7).


§ 36 SGB XI


Erhöhung der Pflegesachleistung


Die Pflegesachleistung wird wie folgt erhöht:


  • Pflegegrad 2 von 689 Euro auf 724 Euro
  • Pflegegrad 3 von 1.298 Euro auf 1.363 Euro
  • Pflegegrad 4 von 1.612 Euro auf 1.693 Euro
  • Pflegegrad 2 von 1.995 Euro auf 2.095 Euro


§ 40 SGB XI


Empfehlung von Pflegehilfsmittel durch Pflegefachkräfte


Pflegefachkräfte können im Rahmen ihrer Leistungserbringung nach § 36, nach den §§ 37 und 37c des Fünften Buches sowie der Beratungseinsätze nach § 37 Absatz 3 konkrete Empfehlungen zur Hilfsmittel- und Pflegehilfsmittelversorgung abgeben.


Dazu bedarf es Richtlinien, die noch vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen bis zum 31.12.2021 zu erlassen sind. In diesen Richtlinien werden auch die Eignung der Pflegefachkräfte und Verfahrensfragen festgelegt (§ 40 Abs.6).


Die Bearbeitungsfrist für Anträge für Pflegehilfsmittel durch die Pflegekasse wird auf 3 Wochen festgelegt (§ 40 Abs. 7).


§ 42 SGB XI


Leistung für die Kurzzeitpflege wird erhöht


Der Leistungsbetrag für die Kurzzeitpflege wird von 1.612 Euro pro Kalenderjahr auf 1.774 Euro erhöht. Falls Mittel der Verhinderungspflege nicht verbraucht sind, kann dieser Betrag auf 3.386 Euro erhöht werden (§ 42 Abs. 2 SGB XI)


§ 43c SGB XI


Begrenzung des Eigenanteils an den pflegebedingten Aufwendungen


Pflegebedürftige in vollstationären Einrichtungen erhalten einen „Leistungszuschlag“. Der Leistungszuschlag auf den jeweils zu zahlenden Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen beträgt für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 bei einem Leistungsbezug nach § 43 SGB XI von:

  • bis 12 Monate 5%
  • bei mehr als 12 Monaten 25%,
  • bei mehr als 24 Monate 45%
  • bei mehr als 36 Monate 70%

Angefangene Monate werden als voll angerechnet.


§ 45a SGB XI


Antragsstellung bei Umwandlung des Sachleistungsbeitrages entfällt


Die Kostenerstattung bei der Inanspruchnahme von Betreuungsangeboten von nach Landesrecht anerkannten Diensten erfolgt gegen Vorlage entsprechender Belege. Ein vorheriger Antrag auf Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrages ist nicht notwendig. Mehrauszahlungen werden verrechnet.


§ 45c SGB XI


Förderungsbetrag für regionale Netzwerkbildung wird erhöht


Der Förderbetrag von bislang 10 Mio. Euro wird auf 20 Mio. Euro erhöht (§ 45c Abs.1).


Fördervoraussetzungen für regionale Netzwerke werden geändert


Je Kreis oder kreisfreier Stadt können zwei regionale Netzwerke, je Kreis oder kreisfreier Stadt ab 500. 000 Einwohnern bis zu vier regionalen Netzwerken gefördert werden. Der maximale Förderbetrag pro Netzwerk beträgt 25 000 Euro je Kalenderjahr. Die Pflegekassen erstellen im Internet eine Übersicht über die geförderten Netzwerke. Die Empfehlungen zur Förderung werden bis zum 31.12.2021 aktualisiert (§ 45c Abs. 9).

 

§ 71 SGB XI


Fristverlängerung für Weiterbildungsmaßnahmen von verantwortlichen Pflegefachkräften


Die Im § 71 Abs. 3 Satz 7 genannte Frist wird vom 01.06.2021 auf den 01.01.2023 verlängert.


§ 72 SGB XI


Tarifbindung bzw. Tariforientierung wird für Pflegeeinrichtungen Pflicht


Die Tarifbindung bzw. die Orientierung der Höhe der Entlohnung an entsprechenden Tarifverträgen (§ 72 Abs. 3a) in fachlicher und regionaler Hinsicht ist künftig Voraussetzung zum Abschluss eines Versorgungsvertrages. Die Anpassung bestehender Verträge muss bis zum 31.08.2022 erfolgen. (§ 72 Abs. 3b).


Prüfgrundsätze für die Einhaltung der Vorgaben werden erstellt


Der Spitzenverband Bund legt die Richtlinien, erstmals bis zum 30.09.2021, fest. Sie sind vom Bundesgesundheitsministerium zu genehmigen (§ 72 Abs. 3c).


Mitteilungspflicht für Pflegeeinrichtungen zur Tarifanwendung bzw. Tariforientierung


Pflegeeinrichtungen sind zu entsprechenden Angaben gegenüber den Pflegekassen im Jahr 2022, bis zum 28.02.2022 verpflichtet. Der Mitteilung gilt, wenn die Pflegeeinrichtung nicht widerspricht, als Antrag zur Anpassung des Versorgungsvertrages mit Wirkung zum 01.09.2022 (§ 72 Abs. 3d).


Informationspflicht über die Anpassung von Tarifverträgen


Bis zum 30.09. des Jahres sind den Pflegekassen Informationen zu Änderungen der Tarifverträge mitzuteilen (§ 72 Abs. 3e).


Evaluation der Wirkungen der Tarifbindung bzw. der Tariforientierung


Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen zur Tarifbindung bzw. Tariforientierung (§ 72 Abs. 3f).


§ 82c SGB XI


Wirtschaftlichkeit von Personalaufwendungen


Die Entlohnung aufgrund bestehender Tarifverträge kann, wie nach der bisherigen Regelung, nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden (§ 82c Abs.1). Bei nichttarifgebundenen Einrichtungen kann die Entlohnung nicht als unwirtschaftlich abgelehnt werden, soweit sie das tarifgebundene regional übliche Entgeltniveau nicht deutlich (mehr als 10%) überschreitet (§ 82c Abs. 2).

 

Der Spitzenverband Bund legt dazu bis zum 30.09.2021 Richtlinien fest (§ 82c Abs. 4).

 

§ 84 SGB XI


Nachweispflicht für gezahlte Gehälter


Der Träger der Einrichtung ist ab dem 1. September 2022 verpflichtet, die bei der Vereinbarung der Pflegesätze zugrunde gelegte Bezahlung der Gehälter nach § 82c Absatz 1 oder der Entlohnung nach § 82c Absatz 2 jederzeit einzuhalten und auf Verlangen einer Vertragspartei nachzuweisen (§84 Abs. 7).

 

§ 88a SGB XI


Wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege


Auf der Bundesebene werden Rahmenempfehlungen für wirtschaftlich tragfähige Vergütung für Kurzzeitpflege von den Vereinbarungspartnern erstellt. Diese können Grundlage zur Anpassung der Rahmenverträge gem. § 75 SGB XI auf der Landesebene sein (§ 88a Abs. 1).

 

§ 89 SGB XI


Berücksichtigung für die Vergütung bei längerer Wegezeiten


Insbesondere im ländlichen Raum soll der Mehraufwand von längeren Wegezeiten in den Vergütungsvereinbarungen für ambulanten Pflegedienste berücksichtigt werden (§ 89 Abs. 3).


§ 113 SGB XI

 

Vorgaben für Maßstäbe und Grundsätze der Qualität (MuG) erweitert

 

Die Vorgabe im § 113 SGB XI Abs. 1 Satz 1 werden künftig für den Wirkungsbereich der MuG folgende Begrifflichkeiten genannt: ambulanten, teilstationären, vollstationären und Kurzzeitpflege und flexible Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Krisensituationen (§ 113 Abs. 1).

 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten die Betreuungsmaßnahmen erbringen müssen entsprechend den Richtlinien der Qualitätssicherung bei Betreuungsdiensten (§ 112a) qualifiziert sein (§ 113 Abs. 1 Satz 4).

 

§ 113c SGB XI

 

Personalbemessung in vollstationären Pflegeeinrichtungen

 

Ab dem 01.07.2023 gelten folgende Personalanhaltswerte pro zu versorgenden Pflegebedürftigen als Höchstwerte (§ 113c Abs 1):

PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 PG 5
Hilfskraft ohne Ausbidlung 0,0872 0,1202 0,1449 0,1627 0,1758
Helferin mit mind. 1-jähriger Ausbildung 0,0564 0,0675 0,1074 0,1413 0,1102
Fachpersonal 0,0770 0,1037 0,1551 0,2463 0,3842

Davon abweichend kann eine höhere Personalausstattung vereinbart werden, wenn


1.      schon eine Vereinbarung besteht, die eine höhere Ausstattung enthält, oder

2.      eine höhere personelle Ausstattung für Fachpersonal, in der geltenden Landesrahmenvertrag nach § 75, vereinbart ist, oder

3.      die Pflegeeinrichtung sachliche Gründe für die personelle Ausstattung darlegen kann (§ 113c Abs.2).

 

Weitere Regelungen dazu sind in § 113c Abs. 3 ausgeführt.


Weitere Vereinbarungen können in den Landesrahmenvereinbarungen nach § 75 SGB XI getroffen werden, insbesondere zu:


  1. Personalmindestzahlen, die sich aus den bundesrechtlichen und landesrechtlichen Vorgaben, der Pflegesituation bei Nacht sowie Besonderheiten in Bezug auf Einrichtungsgröße und Einrichtungskonzeption ergeben,
  2. besonderen Personalbedarfen wie Pflegedienstleitung, Qualitätsbeauftragte und Praxisanleitung und
  3. der erforderlichen Qualifikationen des eingesetzten Personals.


Soweit bis zum 01.07.2023 keine gesonderten Vereinbarungen getroffen werden, sind die Regelungen gem. § 113c Abs. 4 SGB XI unmittelbar verbindlich (§ 113c Abs. 5).


Zu den Landesrahmenvereinbarungen werden auf der Bundesebene Gemeinsame Empfehlungen getroffen (§ 113c Abs. 4).

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